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Nachlassverfahren

Aussergerichtlicher Nachlassvertrag

Der aussergerichtliche Nachlassvertrag kommt zustande durch privatrechtliche Verhandlungen zwischen dem Schuldner und den einzelnen Gläubigern (Vertragsfreiheit nach Art. 19 OR). Er kann mit jedem Gläubiger einzeln – unabhängig von sämtlichen übrigen Gläubigern – abgeschlossen werden, ist aber nur für jene Gläubiger verbindlich, welche ihm zugestimmt haben.
Das gerichtliche Nachlassverfahren steht dem Schuldner immer noch offen.

Gerichtlicher Nachlassvertrag

a) Absicht/Ziel:
Sanierung, d.h.
• Sanierung, Stundungs- oder Prozentvergleich
• Wirtschaftliche Liquidation der Aktiven  (Vermögensabtretung)

b) Voraussetzungen:
Gesuch um einen gerichtlichen Nachlassvertrag ist sowohl für natürliche als auch juristische Personen möglich, unabhängig davon, ob sie der Betreibung auf Pfändung oder auf Konkurs unterliegen.

c) Legitimation zum Gesuch:
• Schuldner
• Gläubiger, der ein Konkursbegehren stellen kann
• Konkursgericht, wenn Konkurseröffnungsgesuch vorliegt und Anhaltspunkte für das Zustandekommen eines Nachlassvertrages bestehen.

d) Zuständigkeit für Bewilligung der Nachlassstundung und der späteren Genehmigung des Nachlassvertrages: Nachlassgericht, im Kanton Thurgau das Einzelgericht am Bezirksgericht

e) Verfahrensablauf:
Gesuch um Nachlassstundung

                           ß

– Ablehnung des Nachlassgesuchs, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages besteht, führt zur Konkurseröffnung von Amtes wegen

oder

– Bewilligung provisorische Stundung
Dauer: Verlängerung bis max. vier Monate möglich Einsetzung eines prov. Sachwalters zur Prüfung

                            ß

– Keine Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages führt zur Konkurseröffnung von Amtes wegen

oder

– Bewilligung der definitiven Stundung für weitere vier bis sechs Monate, wenn während der provisorischen Stundung Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages entsteht. 
Auf Antrag des Sachwalters Verlängerung auf zwölf, in besonders komplexen Fällen auf höchstens 24 Monate möglich.

• Nachlassgericht ernennt Sachwalter. Dieser  überwacht Handlungen des Schuldners, fordert durch öffentliche Bekanntmachung Gläubiger auf, ihre Forderungen binnen 20 Tagen einzugeben und entwirft Nachlassvertrag. Weiter beruft er Gläubigerversammlung ein. Darin orientiert er über bereits erfolgte Zustimmungen und empfiehlt Bestätigung oder Ablehnung des Nachlassvertrages. Entwurf des Nachlassvertrags wird den versammelten Gläubigern zur unterschriftlichen Genehmigung vorgelegt.

• Nachlassvertrag ist angenommen, wenn bis zum Bestätigungsentscheid die Mehrheit der Gläubiger, die zugleich mindestens zwei Drittel des Gesamtbetrages der Forderungen vertreten, oder ein Viertel der Gläubiger, die mindestens drei Viertel des Gesamtbetrages der Forderungen vertreten, zugestimmt hat.
Privilegierten Gläubiger, der Ehegatte, die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Schuldners werden weder für ihre Person noch für ihre Forderung mitgerechnet. Pfandgesicherte Forderungen zählen nur zu dem Betrag mit, der nach der Schätzung des Sachwalters ungedeckt ist.

                           ß

– Nachlassrichter entscheidet über Genehmigung oder Ablehnung des Nachlassvertrages

– Vor Ablauf der Stundung wird Konkurs von Amtes wegen eröffnet, wenn dies zur Erhaltung des schuldnerischen Vermögens erforderlich ist, wenn offensichtlich keine Aussicht mehr auf Sanierung oder auf Bestätigung eines Nachlassvertrages besteht oder wenn Schuldner den Weisungen des Sachwalters zuwiderhandelt.

f) Wirkungen bei Zustandekommen des Vertrages:
– Bestätigter Nachlassvertrag ist für sämtliche Gläubiger, deren Forderungen entweder vor der Bekanntmachung der Stundung oder seither ohne Zustimmung des Sachwalters entstanden sind, verbindlich.

– Mit Bestätigung des Nachlassvertrages fallen alle vor der Stundung gegen den Schuldner eingeleiteten Betreibungen mit Ausnahme derjenigen auf Pfandverwertung dahin.

– Jedes Versprechen, durch welches der Schuldner einem Gläubiger mehr zusichert als ihm gemäss Nachlassvertrag zusteht, ist nichtig.

– Jeder Gläubiger kann beim Nachlassrichter den Widerruf eines auf unredliche Weise zustande gekommenen Nachlassvertrages verlangen.

g) Wirkungen bei Ablehnung oder Nichtzustandekommen des Vertrages und bei nachträglichem Widerruf:
Nachlassgericht eröffnet von Amtes wegen den Konkurs.

Ordentlicher Nachlassvertrag

a) Verfahrensablauf:
Beim Prozentvergleich ist im Nachlassvertrag anzugeben, wieweit die Gläubiger auf ihre Forderungen verzichten und wie die Verpflichtungen des Schuldners erfüllt und allenfalls sichergestellt werden.
Bei einem Stundungsvergleich sind vereinbarte neue Fälligkeiten im Nachlassvertrag festzuhalten.

b) Zusätzliche Wirkungen bei Zustandekommen des Vertrages:
Forderungsverzicht ist für die Gläubiger endgültig. Es werden keine Verlustscheine ausgestellt.
Wird einem Gläubiger gegenüber der Nachlassvertrag nicht erfüllt, so kann er beim Nachlassrichter für seine Forderung die Aufhebung des Nachlassvertrages verlangen, ohne seine Rechte daraus zu verlieren.

Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung

a) Verfahrensablauf:
Durch den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung kann den Gläubigern das Verfügungsrecht über das schuldnerische Vermögen eingeräumt oder dieses Vermögen einem Dritten ganz oder teilweise abgetreten werden.
Die Gläubiger üben ihre Rechte durch die Liquidatoren und evt. durch einen Gläubigerausschuss aus. Diese werden von der Versammlung gewählt, welche sich zum Nachlassvertrag äussert. Sachwalter können Liquidatoren sein.

b) Nachlassvertrag:
Der Nachlassvertrag enthält u.a. Bestimmungen über:
– Verzicht der Gläubiger auf den bei der Liquidation oder durch den Erlös nicht gedeckten Forderungs¬betrag oder die genaue Ordnung eines Nachforderungsrechts;
– die Bezeichnung der Liquidatoren und der Mitglieder des Gläubiger-ausschusses sowie die Abgrenzung der Befugnisse derselben;
– die Art und Weise der Liquidation, soweit sie nicht im Gesetz geordnet ist.
Wird nicht das gesamte Vermögen des Schuldners in das Verfahren einbezogen, so ist im Nachlassvertrag eine genaue Ausscheidung vorzunehmen.

c) Liquidation:
– Mit der rechtskräftigen Bestätigung des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung erlöschen das Verfügungsrecht des Schuldners und die Zeichnungsbefugnis der bisher Berechtigten.
– Die Liquidatoren haben alle zur Erhaltung und Verwertung der Nachlassmasse sowie zur allfälligen Übertragung des abgetretenen Vermögens gehörenden Geschäfte vorzunehmen.
– Zur Feststellung der am Liquidationsergebnis teilnehmenden Gläubiger und ihrer Rangstellung wird ohne nochmaligen Schuldenruf gestützt auf die Geschäftsbücher des Schuldners und die erfolgten Eingaben ein Kollokationsplan erstellt und zur Einsicht der Gläubiger aufgelegt.
– Die Aktiven werden in der Regel durch Geltendmachung oder Verkauf der Forderungen, durch freihändigen Verkauf oder öffentliche Versteigerung der übrigen Vermögenswerte einzeln oder gesamthaft verwertet.

d) Auszahlung, Verteilung, Abschluss:
– Vor jeder, auch bloss provisorischen, Abschlagszahlung haben die Liquidatoren den Gläubigern einen Auszug aus der Verteilungsliste zuzustellen und diese während zehn Tagen aufzulegen.
– Gleichzeitig mit der endgültigen Verteilungsliste ist auch eine Schlussrechnung, inbegriffen diejenige über die Kosten, aufzulegen.

Nachlassvertrag im Konkurs

Wenn ein Schuldner, über welchen der Konkurs eröffnet ist, einen Nachlassvertrag vorschlägt, so begutachtet die Konkursverwaltung den Vorschlag zuhanden der Gläubigerversammlung. Die Verhandlung über denselben findet frühestens in der zweiten Gläubigerversammlung statt.
An die Stelle des Sachwalters tritt jedoch die Konkursverwaltung. Die Verwertung wird eingestellt, bis der Nachlassrichter über die Bestätigung des Nachlassvertrages entschieden hat.

Der Entscheid über den Nachlassvertrag wird der Konkursverwaltung mitgeteilt. Lautet derselbe auf Bestätigung, so beantragt die Konkursverwaltung beim Konkursgericht den Widerruf des Konkurses.

Einvernehmliche private Schuldenbereinigung

a) Absicht/Ziel
Bei der einvernehmlichen privaten Schuldenbereinigung unterstützt ein Sachwalter den Schuldner beim Erstellen eines Bereinigungsvorschlags. Der Schuldner kann darin seinen Gläubigern insbesondere eine Dividende anbieten, sie um Stundung der Forderungen oder um andere Zahlungs- oder Zinserleichterungen ersuchen.
Der Sachwalter führt mit den Gläubigern Verhandlungen über den Bereinigungsvorschlag des Schuldners.
Der Nachlassrichter kann den Sachwalter beauftragen, den Schuldner bei der Erfüllung der Vereinbarung zu überwachen.

b) Voraussetzungen
Der Schuldner darf nicht der Konkursbetreibung unterliegen, also nicht im Handelsregister eingetragen sein. Für die im Handelsregister eingetragenen Einzelfirmen und juristischen Personen ist eine private einvernehmliche Schuldenbereinigung ausgeschlossen.
In Betracht kommen verschuldete Konsumenten und Privatpersonen, aber auch kleine Betriebe (z.B. ein kleines Nähatelier), die nicht im Handelsregister eingetragen sind.

c) Verfahrensablauf
Ein Schuldner kann beim Nachlassrichter die Durchführung einer einvernehmlichen privaten Schuldenbereinigung beantragen.
Er hat in seinem Gesuch seine Schulden sowie seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzulegen.
Erscheint eine Schuldenbereinigung mit den Gläubigern nicht von vornherein als ausgeschlossen und sind die Kosten des Verfahrens sichergestellt, so gewährt der Nachlassrichter dem Schuldner eine Stundung von höchstens drei Monaten und ernennt einen Sachwalter.
Auf Antrag des Sachwalters kann die Stundung auf höchstens sechs Monate verlängert werden. Sie kann vorzeitig widerrufen werden, wenn eine einvernehmliche Schuldenbereinigung offensichtlich nicht herbeigeführt werden kann.
Der Entscheid des Nachlassrichters wird den Gläubigern mitgeteilt.
In einem nachfolgenden Nachlassverfahren wird die Dauer der Stundung der einvernehmlichen privaten Schuldenbereinigung auf die Dauer der Nachlassstundung angerechnet.

d) Wirkungen
Die Verfügungsbefugnis des Schuldners ist während der Stundung in keiner Weise eingeschränkt. Der Sachwalter soll ihn in seinen Bemühungen um einen Bereinigungsvorschlag nur unterstützen; er ist – anders als in der ordentlichen Nachlassstundung – kein autoritärer Begleiter des Schuldners.
Während der Stundung kann der Schuldner nur für periodische familienrechtliche Unterhalts- und Unterstützungsbeiträge betrieben werden. Bereits bestehende Betreibungen können nicht fortgeführt werden. Ihre Fristen verlängern sich jedoch um die Dauer des Verfahrens.
Im Endergebnis handelt es sich bei einer Vereinbarung mit den Gläubigern um einen privaten Nachlassvertrag. Die Möglichkeit eines ordentlichen Nachlassvertrages oder eines Privatkonkurses bleiben für den Schuldner unverändert bestehen.